Fachbeiträge
Wie man dem blindheitsbedingten Funktionsverlust begegnen und aus Problemen Lösungen entwickeln kann
Einleitung- Ein erster Rettungsanker mit Smartphones
Das DL-Team begleitet Menschen, die entweder von Geburt an blind sind oder durch einen Unfall oder durch eine Krankheit erblindet sind.
Einige Leute aus dem Team sind selbst blind und hatten reichlich Gelegenheit, Strategien zur Problemlösung kennenzulernen und selbst solche Strategien zu entwickeln. Ich selbst bin mit ca. zwei Prozent Visus mittlerweile selbst fast blind.
Wer erblindet, geht durch Krisen und ist einem enormen Anpassungsdruck ausgesetzt. Hat man jedoch die diversen Strategien, Tricks und Technologien kennengelernt, die das Leben erheblich vereinfachen, sind alle Betroffenen stimmungsmäßig wieder gut drauf. Familie funktioniert, Job funktioniert und man kann oft sogar anderen Menschen helfen. Beispiele gibt es viele. Unsere Kundinnen und Kunden, die in Behörden und Industriebetrieben arbeiten oder selbständig sind.
In diesem Text greife ich einen einzigen Aspekt der zur Verfügung stehenden Hilfsmittel heraus, und zwar Smartphones und Apps. Dabei beziehe ich mich hier lediglich auf das iPhone von Apple. Man kann auch ein Android Smartphone zum Sprechen bringen, und das funktioniert auch. iPhones haben aber gewisse Vorteile. Dieser Text beschränkt sich auf private Aspekte. Es geht hier nicht darum, was man für den Beruf benötigt.
Den Informationskanal wieder öffnen
Wenn man erblindet, ist der Informationskanal gestört. Bücher und Zeitung lesen, Fachliteratur, soziale Medien, E-Mail, SMS geht alles nicht mehr. Dabei ist man aber gerade als blinder Mensch auf Informationen angewiesen, um ins normale Leben zurück zu kehren.
Ein iPhone stellt ein mächtiges und einfach zu bedienendes Mittel dar, um sich zu informieren und zu kommunizieren. Jedes iPhone hat einen eingebauten Screen Reader. Das ist ein Programm, das den Inhalt des Bildschirms vorliest und eine komplett blinde Bedienung ermöglicht. Dieser Screen Reader heißt VoiceOver.
Bevor ich jetzt weitere, technische Infos und Infos über einige Apps gebe kommen hier wichtige und grundlegende Empfehlungen.
1. Unterstützung holen
Holen Sie sich Unterstützung. Quälen Sie sich nicht alleine!
Wenn Sie erblindet sind, oder dabei sind, zu erblinden, versuchen Sie am Anfang nicht, sich alles selbst beizubringen. Holen Sie sich für den Einstieg Unterstützung. Mit Unterstützung sind Sie letztlich viel schneller und können das Gerät dann eigenständig bedienen.
Viele Blindenvereine bieten Kurse für Smartphones an. Diese Kurse sind sehr günstig, weil es i.d.R. Gruppenkurse sind. Sie können aber auch Einzeleinweisungen bekommen. Bitten Sie Ihren Ehepartner, ihre Kinder, Ihre Eltern, Ihre Freunde oder Nachbarn, den Kontakt zu einem Blindenverein herzustellen. Nach einer Ersteinweisung können Sie weitere Lerneinheiten sicherlich auch per Telefon machen.
Wichtig: Wenn Sie mit der Trainerin oder dem Trainer nicht zurechtkommen, wechseln Sie sofort!
Wechseln Sie sofort! Das schreibe ich absichtlich zweimal.
Die Trainer müssen in der Lage sein, sich auf Sie einzustellen! ist das nicht gegeben, vergeuden Sie nur Ihre Zeit. Sie müssen sich während der Einweisung wohl fühlen.
Sollten Sie Schwierigkeiten haben, einen geeigneten Blindenverein bzw. einen geeigneten Trainer zu finden, rufen Sie uns an. Wir geben Ihnen Tipps.
Es gibt auch Materialien für das autodidaktische Lernen. Für den Anfang ist es aber immer gut, jemanden als Ansprechpartner zu haben. In der Blindenszene gibt es sehr viele Menschen, die anderen gerne helfen. Viele Blinde sind technisch super fit.
2. Vorsicht Ehepartner!
Lassen Sie sich nicht durch Ihre Frau, durch Ihren Mann oder durch Ihre Kinder oder durch Freunde einweisen!
Es gibt zwar wunderschöne Geschichten, wie die Enkelin ihrer Oma hilft, mit dem Smartphone zurecht zu kommen. Das kann auch funktionieren. Sie sind aber in einer vulnerablen Situation und das Beste ist für Sie nur gerade gut genug. Sie können es nicht auf einen riskanten Versuch ankommen lassen.
Das Schlechteste ist z.B. ein Ehemann, der alles besser weiß, und es Ihnen schon Tausendmal gesagt hat, oder ein EDV-enkel, der Ihnen sagt, dass Linux sowieso besser ist.
Also: wenn Sie nicht vorhaben, sich jetzt auch noch scheiden zu lassen, dann vergessen Sie erst einmal die Hilfe durch ihre Frau, Ihren Mann, Ihren Nachbarn usw. Kurzum: Sie benötigen einen erfahrenen Menschen, der exakt weiß, was er Ihnen vermittelt und wie er es macht. Bieten Sie sich nicht als Versuchskaninchen an! Sie gehen ja auch nicht zum Schuster, um sich Ihre Zähne richten zu lassen!
Wenn Sie den technischen Einstieg dann bekommen haben, kann es sehr gut möglich sein, dass alle Personen, die ich oben "verteufelt" habe, wirklich helfen können. So schlimm sind die nämlich gar nicht. :-)
3. Hände weg von Schrott
Meine Tochter hat da noch ein iPhone, das noch völlig in Ordnung ist." Vergessen Sie das einfach! Holen Sie sich ein aktuelles iPhone. Mehr als zwei Jahre alt sollte es nicht sein. Und eine max.-Version, die besonders groß ist, hilft Ihnen auch nicht, es hindert eher.
4. Eigenes Gerät verwenden
Verwenden Sie Technik nicht gemeinsam.
Einen PC mit Sehenden gemeinsam zu benutzen ist ein Alptraum. Sehende verstellen alles und schalten ganz gerne mal den Sound ab. "Ach ich wollte nur kurz ...". Dann können Sie auch gleich Ihr Büro von einem Wildschwein aufräumen lassen.
Sie brauchen Ihr eigenes iPhone, denn das iPhone wird für Sie nicht ein Telefon sein, sondern ein Gerät, das blindheitsbedingte Nachteile technisch kompensiert. Man kann sowas auch eine Prothese nennen.
Das sollten Sie am Anfang lernen
Am Anfang geht es um die Grundfunktionen der blinden Bedienung. Im Wesentlichen wischen Sie auf dem Display nach links und nach rechts und hören damit, wo Sie sind. Mit einem Doppeltipp mit einem Finger aktivieren Sie das Objekt, das zuletzt angesagt wurde. Ja, genau so einfach ist das.
Kompliziert ist die Bedienung nicht. Kompliziert wird die Sache nur, wenn man meint, alle Apps zu benötigen, die es gibt. Es gibt etwa eine Million. Also vergessen Sie erstmals die Apps.
Mit einem frisch ausgepackten iPhone können Sie blind verdammt viel machen. Außer "Zähne putzen" geht fast alles.
Wer anruft, wird Ihnen angesagt. Sie können selbst Leute anrufen und ein Adressbuch anlegen und benutzen. Sie können SMS-Nachrichten bekommen und welche verschicken. Sie können diese auch per Spracheingabe diktieren. Sie können mit Sprachbefehlen nach der Uhrzeit und dem Wetter fragen, und auch fragen, wo Sie sind. Sie können sich einen Wecker stellen.
Sie können E-Mails empfangen und senden.
Sie können sich im Internet bewegen und Informationen suchen.
Sie können Podcasts hören und digitale Bücher in wenigen Minuten kaufen und sich diese anhören.
Sie können sich Audionotizen oder eine Einkaufs- oder To-Do-Liste machen.
Wie lernen Sie am schnellsten?
Am schnellsten lernen Sie, indem Sie langsam lernen.
Wiederholen ist das Zauberwort.
Sie fühlen sich besser, wenn Sie das, was Sie gelernt haben, sicher beherrschen. Das erreichen Sie zuverlässig durch Übung und Wiederholung. Damit Sie aber wiederholen können, benötigen Sie eine Liste, eine Art Aufzeichnung. Das, was Sie bereits gelernt haben, müssen Sie irgendwie abrufen können. Da Sie Zettel nicht mehr nutzen können, setzen Sie am besten Audio ein. Ideal sind einfach zu bedienende Diktiergeräte. Diese kann man schon für wenig Geld bekommen.
Die meisten Diktiergeräte haben sog. Ordner. Sie würden also z.B. Ordner 1 für allgemeine Notizen verwenden und Ordner 2 für das Erlernen von VoiceOver.
Wenn Sie nicht wissen, welches Diktiergerät Sie sich holen sollen, können Sie sich bei uns melden.
Diktiergeräte spielen sowieso eine wichtige Rolle, wenn man nicht mehr sehen kann.
Welche Apps sind für blinde Menschen von besonderem Vorteil?
Vom Microsoft gibt es die kostenlose App "Seeing AI". Apps sind Programme, die man zusätzlich installiert.
Mit dieser App können Sie folgendes machen:
Schilder und Beschriftungen vorlesen lassen Handschriftliche Notizen vorlesen lassen Dokumente vorlesen lassen Produkte erkennen Farben erkennen Helligkeit erkennen und ansagen Geldscheine erkennen Szenen können beschrieben werden Personen können erkannt werden Personen und Objekte können angesagt werden, wenn sie ins Sichtfeld gelangen Abstandswarner - bei Näherung an eine Wand oder z.B. an eine Mülltonne vibriert das Gerät (geht nur mit den Pro-Versionen der iPhones)
BlindSquare ist eine App, die z.B. Orte von Interesse ansagt, die sich in der Nähe befinden. Das können Bushaltestellen, Cafés, Geschäfte usw. sein. Das System sagt u.a. auch Kreuzungen an und nennt Straße und Hausnummer des aktuellen Aufenthaltsortes.
WhatsApp ist eine Kommunikations-App, die sehr verbreitet ist. Damit kann man sich z.B. Sprachnachrichten schicken.
Es gibt viele nützliche Apps. Der Austausch mit anderen Betroffenen hilft oft, das Nützliche von den Zeitfressern zu unterscheiden.
Wenn Sie das iPhone in den Grundfunktionen beherrschen, haben Sie die besten Voraussetzungen, um sich mit anderen Menschen zu verbinden. Sie können sich dann auch auf den Lernweg begeben und lernen, was für den Beruf nötig ist. Spätestens dann wieder kommt DL ins Spiel
Irgendwann werden Sie das iPhone so sicher bedienen können, dass Sie Lust haben, Andere einzuweisen.
Marburg im Dezember 2023
Hansjörg Lienert
Inklusive Software mit Leit- und Orientierungsfunktionen
Die DL® UserExperience PDF-Ansicht
Software wird allgemein für sehende Menschen entwickelt. Die Bedieneroberfläche ist dabei der Bildschirm, dessen Inhalt mit den Augen ausgelesen wird. Als die Draeger Lienert GmbH & Co. KG (DL®) ihre ersten Anwendungen entwickelte, hatte sie als Hilfsmittelfirma blinde und sehbehinderte Menschen als HauptanwenderInnen im Blick. Dementsprechend wurde und wird alles barrierefrei entwickelt. Mit einem sog. Screen Reader können blinde Menschen den Inhalt des Bildschirms auf der Braillezeile in Blindenschrift darstellen und ihn sich per Sprachausgabe vorlesen lassen (accessibility). Trotz dieser hervorragenden Möglichkeiten waren Blinde aber in Sachen Geschwindigkeit Sehenden unterlegen.
DL fing an in die Softwaresysteme spezielle Funktionen einzubauen, die sehbehinderten und blinden Menschen die Orientierung erleichterten. Zudem entwickelte DL die sog. Direktzugriffe, um behinderungsbedingte Geschwindigkeitsnachteile wo es möglich war, auszugleichen. So sind über die Jahre viele Optimierungen entstanden, durch die die Gebrauchstauglichkeit (usability) der Softwaresysteme erheblich verbessert wurde. Ziel war und ist, Menschen mit diversen Einschränkungen in die Lage zu versetzen, wettbewerbsfähig zu arbeiten. Ideen für die Verbesserungen kamen häufig von den Anwenderinnen und Anwendern selbst.
Im nachfolgenden Teil beschreiben wir einige dieser Verbesserungen. Wir, das sind Rena de Buhr, Christian Frenzel und Hansjörg Lienert.
Das DL Team bietet zur Zeit drei Fachanwendungen an, die DL mit einer eigenen Entwicklungsumgebung erstellt. Mit dieser Entwicklungsumgebung ist es nicht möglich, nicht barrierefreie Anwendungen zu programmieren. Zudem enthalten die Steuerelemente und Module, die die Entwicklungsumgebung bereitstellt, eine Vielzahl von Funktionen, die sehbehinderten und blinden Menschen, aber auch Menschen mit motorischen oder kognitiven Einschränkung die Bedienung der Fachanwendungen erheblich erleichtern.
Zusätzlich zur Erleichterung geht es um schnelle Orientierung, es geht darum, zu wissen, wo man gerade ist. Es geht um einfachste und schnelle Bedienung mit Direktzugriffen.
Die Fachanwendungen von DL® lassen sich einfach bedienen und vermitteln ein positives Erlebnis, Neudeutsch UserExperience.
Behinderungsbedingte Geschwindigkeitsnachteile werden soweit wie technisch möglich durch intelligente Assistenzfunktionen ausgeglichen. Menschen mit und ohne Einschränkungen arbeiten inklusiv und zusammen mit demselben System. Es entsteht ein gemeinsamer Handlungskontext, der verbindet.
Die Verbesserung der Bedieneroberfläche nennen wir User Interface Optimierung oder auch UI-Optimierung.
Die drei Fachanwendungen sind:
DL® ETB (elektronisches Telefonbuch
DL® ETB ist ein hoch moderner Vermittlungsplatz für Telefonzentralen. Z.B. im Einsatz im Bundeskanzleramt, beim Regierungspräsidium Stuttgart, im Universitätsklinikum Tübingen und an vielen anderen Orten.
DL® Kontaktmanager
DL® Kontaktmanager ist ein CRM System, mit dem ganze Firmen verwaltet werden. Das System wird auch für Vorgangsverwaltung, für Projekte und Work Flows beispielsweise im Beratungsbereich eingesetzt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat das System im Jahr 2017 als inklusive Lösung vorgestellt.
DL® Verein
DL® Verein ist eine inklusive Vereinsverwaltung mit speziellen Modulen, die blinde Menschen in die Lage versetzt, Tätigkeiten zu übernehmen, die ohne diese Module von blinden Menschen nicht erledigt werden können.
Zu den drei Fachanwendungen gibt es ca. 50 Module, die optional eingebunden werden.
Im Jahr 2023 sind die UI-Optimierungen (Orientierungs- und Effizienzfunktionen) nur in den drei genannten Fachanwendungen technisch implementiert.
Für beliebige Softwaresysteme (Windows, SAP u.a.) bietet die Draeger Lienert GmbH & Co. KG ein Softwarewerkzeug, das überall eingespielt werden kann, und die Bedienung beliebiger Softwaresysteme erheblich verbessert. Dieses System (DL®EasyTask) ist nicht Thema dieses Textes.
Die nachfolgenden Erläuterungen sind einfach verständlich, wenn man weiß, wie ein Screen Reader für Blinde funktioniert. Screen Reader geben Texte in Blindenschrift und per Sprache aus. Eine Braillezeile ist ein einzeiliges Display das Text in Blindenschrift (Braille) fühlbar ausgibt. Sprachausgaben lesen den mit dem Screenreaderfokussierten Text oder auch ganze Dokumente mit einer synthetischen Stimme vor.
Die nachfolgend auszugsweise beschriebenen UI-Optimierungen verbessern die User Experience und führen zu einem positiven Erleben des Technikumfeldes durch Erhöhung der Selbstwirksamkeit. Die Verbesserungen der Bedieneroberfläche (UI-Optimierungen) lassen sich folgenden Bereichen zuordnen.
Direktzugriffe auf Teile des Bildschirms
Direktzugriffe auf Daten
Direktzugriffe auf Teile eines Steuerelements
Audiosignalisierung
Braillesignalisierung
Visuelle Signalisierung
Vermeidung von Audioermüdung
Vermeidung von RSI (repetitive strain injury)
Ausgleich behinderungsbedingter Geschwindigkeitsnachteile
Vermeidung von Haltungsschäden
Die Optimierungen sind entweder fest in der Bedieneroberfläche verankert und jederzeit aufrufbar oder über die Einstellungen optional verfügbar.
Und dies ist die auszugsweise Auflistung:
Optimierungen für Trefferlisten
Die Trefferliste ist in Zellen segmentiert und die Zellen können mit dem Cursor einzeln navigiert werden
In Trefferlisten wird die gerade fokussierte Zeile in der Regel farblich hervorgehoben dargestellt. Die Standardfarbe hierfür ist blau.
Bewegt man den Cursor in einer Trefferliste nach unten oder oben, verfolgt der Screen Reader den sog. Fokus. Die angewählte Zeile wird vom Screen Reader ganz vorgelesen und auf der Braillezeile werden die ersten 80 Zeichen angezeigt.
Damit blinde und sehbehinderte Menschen einzelne Elemente der ausgewählten Zeile der Trefferliste schnell hören bzw. fühlen können, kann man mit Cursor rechts und links zwischen den Segmenten der ausgewählten Zeile wechseln.
Werden in der Trefferliste also z.B. Felder wie Vorname, Name, Ort, Status usw. angezeigt, kann man diese Elemente mit Cursor schnell anwählen und hört den jeweiligen Feldinhalt.
Ist die Einstellung der Zellenweisen Focusverfolgung gewählt, wird die angewählte Zeile in der Trefferliste nicht komplett hervorgehoben bzw. blau angezeigt. Es wird stattdessen immer nur eine Zelle hervorgehoben dargestellt.
Für Großschriftnutzer hat dies den Vorteil, dass die Großschrift die ausgewählte Zelle als Fokus verfolgen kann. Man navigiert also in der Trefferliste nach unten und oben und innerhalb der angewählten Zeile nach rechts und links und die Großschrift läuft immer mit (automatische Fokusverfolgung).
Zudem sagt die Sprachausgabe auch jeweils die angewählte Zelle an.
Die Braillezeile verschiebt sich ebenfalls, wenn man nach rechts über die ersten 80 Zeichen hinaus scrollt.
In Trefferlisten springt der Focus bei neuen Zeilen optional an den linken Rand
Mit dieser Einstellung kann man festlegen, dass man Trefferlisten navigiert und der Fokus dabei erst einmal in der gleichen Spalte bleibt. An den linken Rand kann man jederzeit gelangen.
Die Spalten (Zellen) in der Trefferliste können über Direkttasten sofort erreicht werden
Mit den Direkttasten 1 - 9 kann jede Spalte sofort angesprungen werden.
Farben für die Spalten/Reihen in der Trefferliste benutzen
Mit dieser Einstellung bekommt jede Spalte eine andere Farbe. Diese Einstellung dient der besseren Unterscheidbarkeit der Spalten. Sieht man eine Spalte bzw. Zelle mit der Großschrift, kann man an der Farbe erkennen, um welche Spalte es sich handelt, ohne mit der Maus an den Kopf der Spalte navigieren zu müssen.
Nummerierung in der Trefferliste
Die UI-Optimierung besteht hier darin, dass am linken Rand eine Nummerierung angezeigt wird. Damit können auch blinde Menschen feststellen, wo sie sich in der Trefferliste befinden.
Schwarzer Markierungsbalken
Wird diese Einstellung gewählt, erscheint die hervorgehobene Zeile mit einem schwarzen Markierungsbalken. Diese Darstellungsform kommt einigen sehbehinderten Menschen entgegen.
Spalten der Trefferliste haben gleiche Breite wie der Text
Mit dieser Einstellung wird die Spaltenbreite automatisch und dynamisch gesetzt.
Dynamische Spaltenbreiten
Diese Einstellung muss aktiv sein, damit die Spaltenbreiten dynamisch an die Länge der Feldinhalte angepasst werden können.
Die Einstellung "Spalten der Trefferliste haben gleiche Breite wie der Text" bewirkt, dass die Spaltenbreite durch die Länge der Feldinhalte bestimmt wird.
Maximale Spaltenbreite der Trefferliste
Wenn eingestellt wurde, dass die Spaltenbreiten dynamisch ermittelt werden, d.h. dass sich die Spaltenbreiten an die Breite des Feldinhaltes anpassen, kann es passieren, dass Spaltenbreiten zu groß werden und damit Platz verschwendet wird.
Indem eine maximale Spaltenbreite angegeben wird, kann dieser störende Effekt verhindert werden.
Die Daten können optimal komprimiert dargestellt werden.
Maus mit dem Fokus bewegen
Die UI-Optimierung besteht hier darin, dass die DL® Produkte den Mauszeiger an die fokussierte Zelle koppeln.
Erfolgt der Griff zur Maus, steht der Mauszeiger in der Mitte des vergrößerten Bildausschnittes und dieser wird mit der Bewegung des Mauszeigers entsprechend verschoben.
Schrifthöhe der Trefferlisten
Die Schriftgröße der Trefferlisten kann an den individuellen Bedarf angepasst werden. Nutzer von Großschriftsystemen müssen entsprechend seltener zwischen Vergrößerungsstufen wechseln.
Schrifthöhe der Steuerelemente
Mit dieser Einstellung kann die Schrifthöhe von Schaltern und anderen Steuerelementen eingestellt werden.
Wenn die Steuerelemente größer dargestellt werden, kann man mit der Großschrift auf einer niedrigeren Vergrößerungsstufe arbeiten. Damit wird ein größerer Bildausschnitt dargestellt und man hat besseren Überblick.
Wechselt man zwischen den Steuerelementen mit TAB, wird der Fokus automatisch verfolgt, d.h. ein fokussierter Schalter wird mitten auf dem Bildschirm dargestellt.
Textkürzel benutzen
Wenn diese Checkbox aktiviert wird, werden einige Feldnamen in Kurzform angezeigt. Damit wird die sog. Audioermüdung reduziert und auf dem Bildschirm bleibt mehr Platz für die Daten selbst.
Abgekürzt werden Felder wie Telefon privat, und E-Mail privat.
In der optionalen Mitgliederverwaltung wird der Status wie ""ehemaliges, ordentliches Mitglied" abgekürzt in "EOM".
Diese Einstellung wird noch weiterentwickelt. Die Anwenderinnen und Anwender werden die Abkürzungen in Zukunft selbst definieren können.
Mehrzeilige Felder in der Trefferliste anzeigen
In Trefferlisten werden in der Regel kurze Feldinhalte ausgegeben wie "Vorname" und "Nachname". In Datenbanken gibt es aber auch mehrzeilige Felder.
Wählt man die obige Einstellung. Zeigen die DL® Produkte mehrzeilige Feldinhalte in Form von "hohen" Feldern an. D.h. obwohl man sich in einer Trefferliste befindet, wird sehr viel Text angezeigt und entsprechend angesagt, wenn man das mehrzeilige Feld in der Trefferliste anwählt.
Mit dieser UI-Optimierung wird vermieden, dass man einen Datensatz zunächst öffnen muss, um dann zu dem entsprechenden, mehrzeiligen Feld zu wechseln und es auszulesen.
Textsuche in der Trefferliste
Diese UI-Optimierung bietet die Trefferliste wie ein Dokument an, in dem man suchen kann.
Wird beispielsweise eine Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Seminars angezeigt und man möchte jemanden suchen, der aus Aachen kommt, kann in der Trefferliste über die Textsuche nach "Aachen" gesucht werden, wenn das Ortsfeld oder die gesamte Adresse Teil der Trefferliste ist.
Trefferliste textbasiert anzeigen
Diese Darstellungsform zeigt entweder die aktuelle Zeile der Trefferliste, die markierten Zeilen oder die gesamte Trefferliste als Text an. In der Trefferliste kann mit Cursor zeichenweise und wortweise navigiert werden. Text kann markiert und in die Zwischenablage kopiert werden.
Orientierungssounds in den Trefferlisten
Wenn man in einer Trefferliste navigiert, werden Orientierungssounds abgespielt. Man hört, ob man sich beim ersten oder letzten Datensatz befindet und ob der Fokus am linken oder rechten Rand ist.
Der Sound wird parallel zur Ansage des Screen Readers ausgegeben.
Diese Optimierung gilt auch für die Datensatzansicht.
Optimierungen für die Datensatzansicht
Leere Felder anzeigen
Unter "Ansicht" kann in der Datensatzansicht eingestellt und umgeschaltet werden, ob leere Felder angezeigt werden sollen oder nicht. Standardmäßig lässt man sich sowohl leere als auch ausgefüllte Felder anzeigen. Blendet man letztere jedoch aus, und lässt sich nur die leeren Felder anzeigen, kann man schneller herausfinden, wo ggf. noch Daten in den Datensatz eingetragen werden müssen.
Daten in Textform anzeigen
Wird diese Funktion aus dem Menü "Ansicht" gewählt, werden Feldnamen und Feldinhalte als Text angezeigt. Damit kann der Datensatz mit Cursor wie in einer Textverarbeitung navigiert werden. Diese Ansicht ermöglicht nur Lesenden Zugriff.
Feldnamen und Feldinhalte können wie in einer Textverarbeitung markiert und in die Zwischenablage kopiert werden.
Ein Feld via Suchbegriff anspringen
Insbesondere bei Datensätzen mit vielen Feldern kann es sehr lange dauern, bis man mit Tab zu dem gewünschten Feld gelangt.
Die DL UI Optimierung bietet hier eine Suchfunktion, mit der man nach einem Feldnamen suchen und es dann direkt anspringen kann.
Felder via First Letter Navigation anspringen
In der Datensatzansicht kann man durch Eintippen eines Buchstabens direkt zu dem oder den Feldern springen, die mit dem Buchstaben anfangen.
Diese UI-Optimierung steht in der Datensatzansicht standardmäßig zur Verfügung. Hierfür muss nichts eingerichtet werden.
Direktsprünge zu Feldern
Um Felder direkt erreichen zu können, gibt es die UI-Optimierung "Direktsprünge zu Feldern".
Nehmen wir an, es gäbe ein Feld namens "Dokumentenverzeichnis". Diesem Feld könnte man die Buchstaben "dv" zuordnen.
Hat man einen Datensatz geöffnet und tipp "dv", spring der Fokus direkt zu dem Feld "Dokumentenverzeichnis".
Signalisierung von Zuständen in den Daten
Es kann signalisiert werden, ob ein Feld leer oder nicht leer ist, oder ob das Feld einen bestimmten Inhalt enthält.
Anstelle von Sounds kann man auch Zeichen bzw. Sonderzeichen angeben, die z.B. am Anfang in einer Trefferliste auf der Braillezeile angezeigt werden sollen.
Direktsprünge zu Registerkarten der Datensatzansicht für Adressen
Die einzelnen Registerkarten der Datensatzansicht lassen sich ebenfalls durch Direktsprünge anwählen.
Diese funktionieren ebenso wie die Direktsprünge zu Feldern.
Direktsprünge zu Spalten der Trefferliste der Notizen
Durch Drücken der Ziffern 1 - 9 können die entsprechenden Spalten direkt angesprungen werden.
Unterstützung der allgemeinen Navigation mit Direkttasten und Klängen
Den Hauptfenstern sind Direkttasten zugeordnet, die aus den Anwendungen von überall benutzt werden können. Anstatt also durch viele Menüs und Untermenüs zu navigieren, oder mehrfach Strg+Tab zu drücken, kann man die Hauptfenster direkt erreichen.
Mit Strg+1 erreicht man standardmäßig die Suche in den Tabellen und die entsprechenden Trefferlisten.
Mit Strg+2 wird standardmäßig das Tapi-Modul (Telefon) erreicht.
Mit Strg+3 wird die Registerkarte mit den Notizen angezeigt.
Mit Strg+4 wird der DL® Exchange Kalender erreicht und mit Strg+5 die Registerkarte der Wiedervorlagen usw.
Mit Strg+ 0 wird der Benutzerbereich fokussiert, egal wo man sich davor in der Anwendung befunden hat.
Alle Bereiche sind sofort aktivierbar und man bekommt Audiofeedback. D.h. zu jedem Hauptfenster wird ein besonderer Sound kurz abgespielt.
UI-Optimierungen für DL® Exchange Kalender
Dieses Modul ist eine alternative Bedieneroberfläche für den Kalender von MS Outlook. Neben vielen Optimierungen ermöglicht das Modul z.B. das Verwalten von Terminen mehrerer Teilnehmer und deren freien Zeiten, was mit MS Outlook und einem Screen Reader ansonsten praktisch nicht möglich ist. Das Modul arbeitet nahtlos mit MS Exchange und MS Outlook zusammen.
Sounds für freie und belegte Tage sowie für Ferien und Feiertage.
Anhand kurzer Sounds hört man sofort, ob ein Tag frei ist oder nicht und ob ein Ferien oder Feiertag vorliegt.
Diverse Darstellungsformen für Termine
Anstatt diverse Bildschirmbereiche nach und nach mit TAB auszulesen, wählt man eine passende Darstellungsform für Termine und bekommt die Daten z.B. komprimiert für die Braillezeile und/oder für die Einhandbedienung präsentiert.
Marburg, im Januar 2023
Rena de Buhr, Christian Frenzel, Hansjörg Lienert
Digitale Barrierefreiheit
Arbeitsverfahren in Betrieben und Behörden werden seit etwa 4 Jahrzehnten nach und nach digitalisiert. Bürgerinnen und Bürger können mit vielen Ämtern teilweise bereits digital interagieren. Der früher notwendige Gang zum Amt und das Ausfüllen von Papierformularen wird bzw. werden seltener. In Estland beispielsweise gehört der Gang zum Amt der Vergangenheit an.
Wenn wesentliche Tätigkeiten im Bereich der Arbeit und der Verwaltung nur noch digital möglich sind, versteht es sich nach europäischem und bundesdeutschen Recht von selbst, dass jede Frau und jeder Mann in der Lage sein müssen, die Werkzeuge für Arbeit und Verwaltung auch benutzen zu können. Es geht um die Frage, auf welche Weise Menschen mit den EDV Systemen kommunizieren, was früher möglich war, was heute geht und was in Zukunft möglich sein wird.
In der Anfangszeit des Computerzeitalters wurden Handlungsanweisungen an die EDV mit Hilfe von Lochkarten gegeben. Das setzte Expertenwissen voraus. Diese Technik war wirklich nicht für Jede und Jeden zugänglich. Wenn das Anfertigen von Lochkarten Voraussetzung für eine Bürotätigkeit oder für den Umgang mit Behörden gewesen wäre, hätte der weitaus größte Teil der Bevölkerung keine Teilhabe an den genannten Tätigkeiten gehabt.
Bevor es die ersten Bildschirme gab, gaben die Computer die Ergebnisse auf Druckern aus. Wollte man eine Kopie haben, hat man ein "Carbon Copy" gemacht, also Durchschlagpapier benutzt. Aus dieser Zeit stammt das Kürzel "CC", das es bis in die heutige Zeit geschafft hat.
Die Einführung der ersten Röhrenbildschirme hat es Sehenden, und praktisch alle Benutzerinnen und Benutzer waren sehend, ermöglicht, Daten dynamisch und in Echtzeit zu betrachten. Ein Ausdruck auf Papier ist statisch. Ein Röhrenbildschirm kann dagegen auch veränderliche Daten ausgeben.
Deutlich später fingen Computer an, auch Geräusche von sich zu geben. Es ging los mit summen oder nicht summen, piepsen oder nicht piepsen. Dann kamen die ersten Digital Analog Wandler, die aus Nullen und Einsen Töne machen konnten.
Das war die Zeit, als auch die ersten blinden Menschen mit Computern arbeiten konnten. Die Eingabe über Lochkarten war zwischenzeitlich schon lange durch die Tastatur abgelöst worden und das Tastschreiben oder 10 Finger System beherrschten viele Blinde, da das Schreiben auf einer mechanischen Schreibmaschine damals eine Art Durchbruch in der Blindenbildung darstellte.
In den 1970ern gab es dann die ersten Ausgabegeräte für Blinde. Blindenschrift wurde auf Papier von Computern aus gedruckt. Variable Daten konnten mit Hilfe der ersten Braillezeilen angezeigt werden. Dabei hoben und senkten elektrodynamische Magnete kleine Stifte. Stift 1 stand und steht für a, die Stifte 1 und 2 für "b" usw. Blinde Menschen konnten damals die ersten Rechner bedienen und Texte schreiben. Die ersten sog. Screenreader (Bildschirmausgabeprogramme) lasen Texte vor und stellten Teile des Bildschirmes auf der Braillezeile dar.
Daten digital verarbeiten zu können, war für Blinde eine große Chance. Wenn man einen Brief auf Papier nicht lesen kann, sehr wohl aber den Inhalt in digitaler Form, dann ist das ein großer Schritt nach vorne.
In den 80er kommunizierte man mit der EDV nicht durch Anklicken einer Fläche auf dem Bildschirm mit der Maus, sondern mit Befehlen. Davon gab es im Betriebssystem DOS und später auch Linux viele, viele. Die meisten Befehle hatten dann noch Parameter, und auch wiederum viele.
Computer konnten jetzt von viel mehr Menschen als in der Anfangszeit bedient werden. Das Vorhandensein von Expertenwissen entschied aber immer noch darüber, ob man an dieser Technologie teilhaben konnte oder nicht.
Douglas C. Engelbart hatte 1963 die ersten Prototypen für eine Computermaus gebaut und als die ersten grafischen Bedieneroberflächen aufkamen entwickelte sich die Maus zum wichtigsten Werkzeug, als Zeigeinstrument um mit einem Computer zu interagieren.
Musste man früher einen Befehl wie "Print Quelle Ziel Parameter" kennen, konnte man jetzt auf eine Fläche klicken, auf der "Drucken" stand.
Der Siegeszug der grafischen Bedieneroberflächen hat die Verbreitung der Computer in fast jeden Haushalt zur Folge gehabt. Die meisten Menschen konnten jetzt an der Computertechnologie teilhaben. Nicht wenige 70, 80 und 90 jährige Menschen buchen Ihr Bahnticket heute am PC oder schauen nach, was am Abend in der Stadt los ist.
Die Bedieneroberflächen wurden immer bunter und es gab zunehmend mehr Bilder. Warum auf eine Schaltfläche am Bildschirm "Drucken" schreiben, wenn man auch ein Bild eines Druckers zeigen konnte. Damit fingen die Probleme für Blinde aber an. Eine Braillezeile kann mit ihren Stiften eine zeichenkette wie „Drucken“ anzeigen. Ein Bild kann sie aber nicht darstellen.
Viele, andere Probleme für Blinde entstanden mit der Einführung des Betriebssystems Windows. Schaltflächen, die mit Bildern aber ohne Text gekennzeichnet waren, Eingabefelder ohne dass die Anwenderinnen und Anwender hören oder lesen konnten, wofür sie waren und Vieles mehr.
Bevor die Maus Ihren Durchbruch hatte, wurde beispielsweise die Tabulatortaste benutzt, um in einem Formular vom Vornamen zum Namen zu springen. Als die Maus dann nach und nach aufkam, "vergaßen" die Programmentwickler die Funktion für die Bedienung durch Tabulatortasten und andere Tasten einzuprogrammieren. Die meisten Menschen benutzten ja die Maus, warum da noch an der Tastaturbedienung festhalten?
Als sich die grafischen Bedieneroberflächen durchsetzten und Programme von blinden Menschen nicht mehr oder nur noch teilweise bedient werden konnten, fingen die Hilfsmittelhersteller der Screenreader, an sich Gedanken über Lösungen zu machen. Eine Grafik wurde vom Betriebssystem intern als Zahl repräsentiert. Ein Druckersymbol war etwa die Grafik Nr. 4711. Warum sollte der Screenreader also nicht das Wort "Drucken" ausgeben, wenn er die Grafik 4711 im Programm fand? Gute Idee, und sie wurde umgesetzt. So fingen die sog. Screenreader Anpassungen oder auch Skripting genannt an.
In der nächsten Programmversion hatten die Programmierer aber eine viel schönere Grafik für einen Drucker gefunden. Die Software sollte ja cool aussehen. Das Grafiksymbol für den Drucker war jetzt 4712. die Screen Reader Anpassung fand die Grafik nicht und konnte dementsprechend auch nicht "Drucken" in Textform anzeigen. Kein Problem sagten die Hilfsmittelhersteller "wir passen die Anpassung an".
Die Programme wurden immer größer, immer komplexer und mit den Screenreader Anpassungen kam man nicht mehr hinterher. Die ersten blinden Computerbenutzerinnen und Benutzer schlugen vor, man möge nur noch barrierefrei programmieren, damit Screenreader Anpassungen so weit wie möglich vermieden werden könnten. In dieser Zeit sprach man oft nicht nur über die Chancen der Digitalisierung sondern auch über deren Risiken. Das Risiko, dass Blinde von der technischen Entwicklung abgehängt werden könnten, stand im Raum.
Es war offensichtlich, dass Blinde eine strukturelle, technische Hürde vor sich hatten. Dass dies eine Benachteiligung darstellen würde in Beruf, aber auch im allgemeinen Leben, wurde immer deutlicher. Diese Erkenntnis hat über die Jahrzehnte Einzug in die Rechtsprechung gehalten. Barrierefreiheit wurde nach und nach in immer mehr Bereichen gesetzlich festgeschrieben.
Heute, im Jahr 2021, sind viele, weit verbreitete Systeme mehr oder weniger barrierefrei. Viele Fachanwendungen in Behörden und Betrieben sind es aber immer noch nicht. Die Abhängigkeit von Screenreader Anpassungen besteht nach wie vor. Damit werden blinde Menschen technisch ausgebremst, denn im Gegensatz zu ihren sehenden Kolleginnen und Kollegen, wird ihre Arbeitsfähigkeit immer wieder unterbrochen, wenn eine neue Softwareversion ausgerollt wird und die alten Skripts nicht mehr funktionieren.
Fortschrittliche Programmiererinnen und Programmierer sehen Barrierefreiheit als Qualitätsmerkmal ihrer Software an. Wenn das Feld "Vorname" in einem Dialog nicht nur mit der Maus, sondern auch über die Tastenkombination ALT+V angesprungen werden kann, ist das nicht nur gut für Blinde, sondern z.B. für Vielschreiber wie Journalisten. Diese schwören nämlich auf Tastenkombinationen und Tastaturbedienung. Der Grund; man ist viel schneller. Wir haben hier die schöne Situation, dass gewisse technische Merkmale, die für Blinde gut sind, auch für andere Zielgruppen von Vorteil sind.
Barrierefreiheit hilft also allen. Es ist viel billiger, ein Softwaresystem von vornherein barrierefrei zu programmieren, als die Barrierefreiheit hinterher einzuarbeiten. Einige Bundesbehörden schaffen aus diesem Grund nur noch barrierefreie Systeme an. man erspart sich einfach viel Ärger. Ob ein System allerdings wirklich barrierefrei ist oder nicht, müssen Betroffene und Experten testen. Bei Ausschreibungen sollte Barrierefreiheit unbedingt als zentrale Forderung im Anforderungsprofil stehen. Je mehr Softwarefirmen mitbekommen, dass sie bessere Chancen im Markt haben, wenn wie barrierefrei entwickeln, desto schneller schaffen wir die Wende.
Nun gibt es außer dem Begriff der Barrierefreiheit (englisch: accessibility) den Begriff der Gebrauchstauglichkeit (englisch: usability).
Der Begriff "barrierefrei" impliziert, dass es keine Barrieren gibt, ein System also zugänglich ist und damit bedient werden kann. Im sprachlich korrekten Sinn wird der Begriff aber nicht verwendet. Man spricht auch von "mehr oder weniger" barrierefrei.
Beim Begriff der Gebrauchstauglichkeit gibt es dieses "alles oder nichts" aber nicht. Die Gebrauchstauglichkeit beschreibt, wie gut eine Aufgabe mit einem technischen System erledigt werden kann. Wenn ich zwei Minuten brauche, um eine Adresse aus einer Datenbank herauszusuchen, ist die Gebrauchstauglichkeit hierfür geringer, als wenn ich das in 20 Sekunden erreichen kann.
Es gibt Technologien, um die Gebrauchstauglichkeit von Software für Blinde zu verbessern. Im Vordergrund steht heutzutage immer noch die Barrierefreiheit, und das wird auch noch lange so bleiben. Wenn wir aber erreichen wollen, dass blinde Menschen trotz Blindheit wettbewerbsfähig arbeiten können, sollte das Thema Gebrauchstauglichkeit ernst genommen werden und daran geforscht und gearbeitet werden.
Die Gebrauchstauglichkeit kann durch einfache Maßnahmen erhöht werden. Über Signalisierungstechnologien beispielsweise können Anwenderinnen und Anwender über definierte Zustände in den Daten informiert werden. Dass es zu einem Datensatz eine Wiedervorlage gibt, kann z.B. über einen kurzen Sound oder über eine entsprechende Anzeige auf der Braillezeile angezeigt werden. Damit muss der Bildschirm nicht zeitraubend abgesucht werden. Feldinhalte, die für Sehende auf dem Bildschirm ansprechend verteilt wurden, sollten optional ruhig auch in komprimierter Form für die Braillezeile darstellbar sein. Einfache Dinge, mit großem Nutzen. Die Möglichkeiten sind vielfältig.
Die Betriebssysteme haben sich konstant weiter entwickelt. Die Smartphones haben viele Dinge drastisch vereinfacht. Was vor wenigen Jahren noch eine Abfrage im Internet erforderte, kann heute über einen Sprachbefehl beim Spaziergang mit dem Hund erledigt werden.
Die großen Firmen wie Apple, Microsoft usw. investieren Millionen und Milliarden, um ihre Benutzeroberflächen für Anwenderinnen und Anwender so einfach wie möglich zu machen und die Benutzung mit guten Gefühlen zu verbinden. In diese positive Entwicklungsarbeit werden auch Menschen mit besonderem Assistivbedarf einbezogen. So bietet das Betriebssystem des iPhone besondere Funktionen für Sehbehinderte, für Blinde, für Menschen mit Höreinschränkungen, für Menschen mit motorischen Einschränkungen u.v.m.
Die Gebrauchstauglichkeit von Arbeitsplätzen für blinde Menschen zu verbessern ist eine erfreuliche Tätigkeit für Softwareingenieurinnen und Ingenieure. Als Entwicklungsfirma bekommt man viel positives Feedback und Wertschätzung. Was heute noch eine kleine Idee oder ein Traum ist, kann in wenigen Jahren bei Blindenarbeitsplätzen bereits Normalität sein. Die strukturelle, technische Abhängigkeit sollte überwunden werden, und sie kann überwunden werden.
Die Entwicklung und Bereitstellung von barrierefreier IT Infrastruktur, sowie die Entwicklung und Bereitstellung von Systemen mit hoher Gebrauchstauglichkeit, kurz dem souveränen IT Arbeitsplatz, bringen etliche Vorteile wie:
Die Einstiegshürden für eine Arbeitsstelle in einem Betrieb oder in einer Behörde sinken deutlich. Die überproportionale Arbeitslosigkeit dieser Zielgruppe kann entsprechend reduziert werden.
Neue Softwareversionen gehen nicht einher mit Disruption der Arbeitsfähigkeit blinder und sehbehinderter Menschen. Somit können sich die Anwenderinnen und Anwender auf ihre originäre Aufgabe konzentrieren und werden nicht ausgebremst.
Weil die Hilfsmittel nachhaltig funktionieren, können Blinde und Sehbehinderte diejenige berufliche Position erreichen, die ihrer Qualifizierung entspricht. Ihre Aufstiegs und Entwicklungsmöglichkeiten werden nicht durch technische Mängel definiert.
Die Reha-Beratungsstellen bei Arbeitsagentur, Rentenversicherung, Hauptfürsorgestellen bzw. Integrationsämtern und bei den Berufsgenossenschaften können mit gleichbleibendem Ressourceneinsatz mehr Menschen in Lohn und Brot bringen, weil der Aufwand pro Person drastisch sinkt.
Die gesellschaftlichen Anstrengungen für Beratung im Reha-Bereich können erheblich gesenkt werden, indem die Kosten für unnötige und wiederholt notwendige Technikanpassungen vermieden werden. Dadurch können die Ressourcen in andere Bereiche fließen, in denen sie sinnvoll eingesetzt werden.
Die IT Abteilungen in Behörden und Betrieben, die sich speziell mit dem Support Blinder und Sehbehinderter beschäftigen und häufig hilflos sind, werden entlastet. Blinde und Sehbehinderte treten deutlich seltener als Problem für sie in Erscheinung.
Indem die Position der Abhängigkeit beseitigt wird, in der sich Blinde und Sehbehinderte befinden, können diese Ihre Selbstwirksamkeit ausbauen und sicherer und selbstbewusster auftreten.
Das Team von Draeger Lienert versteht die Probleme, die sehbehinderte und blinde Menschen am Arbeitsplatz haben. DL® nutzt seine Expertise und entwickelt ausschließlich barrierefreie Systeme. Hierbei wird an Sehbehinderte, an Blinde, an Menschen mit Höreinschränkungen und an Menschen mit motorischen Einschränkungen gedacht. Auch für Personen mit kognitiven Einschränkungen, wie z.B. einem temporären Stresssyndrom, bietet DL® Lösungen an, durch die diese Menschen in ihrer Arbeit unterstützt werden.
Pionierarbeit leistet DL® seit vielen Jahren im Bereich der Gebrauchstauglichkeit der Systeme. So gehört es mittlerweile zum Standard der DL® Systeme, dass Trefferlisten für und durch die Anwenderinnen und Anwender nach ihrem Wunsch so eingestellt werden können, dass die Anzeige auf der Braillezeile optimiert ist. Die Anwenderinnen können dabei selbst festlegen, wo einzelne Felder auf der Braillezeile platziert werden sollen und ob eine besonders komprimierte Darstellung erfolgen soll.
Mit der DL® Signalisierungstechnik wird die Arbeit mit der IT vereinfacht und beschleunigt. So können Sounds und Brailledarstellungen definiert werden, die dann ausgegeben werden, wenn bestimmte Daten in einem Formular vorhanden sind. Hat das Vereinsmitglied einen Blindenführhund kann dies etwa durch ein kurzes Bellen signalisiert werden. Fehlen Telefonnummer oder andere Teile der Kontaktdaten wird ein Hinweissound ausgegeben.
Diese Technologie macht es überflüssig, den Bildschirm nach und nach abzusuchen. Vielmehr wird die Aufmerksamkeit aktiv auf fehlende Teile gelenkt. Lästige und zeitraubende Routinearbeiten werden damit von Prüfroutinen übernommen.
Hansjörg Lienert (Dipl. Päd.)